Pierre Teilhard de Chardin SJ
Paläontologe
Philosoph
Dem französischen Jesuiten Pierre Teilhard de Chardin (1881-1955) ist es gelungen, seinen Glauben an die Welt mit dem Glauben an Gott in Verbindung zu bringen. Dadurch hat er vielen Menschen geholfen, klarer zu sehen und aus dem Glauben an Gott eine positive Welthaltung einzunehmen.
Teilhard sagte, er sei von Geburt ein Sohn der Erde: er sammelt Steine, seltene Pflanzen, entdeckt Fossilien, studiert Naturwissenschaft und wird ein weltberühmter Geologe und Paläontologe, der sich der Erforschung der Geschichte und der Zukunft des Lebens widmet. Er sagte aber auch, durch Erziehung sei er ein Sohn des Himmels: die christliche Erziehung im Elternhaus vermittelte ihm das Verständnis und die Liebe zu Jesus als dem Mensch gewordenen Wort Gottes. Um dieser Liebe zu folgen, wurde er Jesuit (1899) und Priester (1911). Zu Beginn der Ausbildung als Jesuit wollte er seine Weltliebe zu Gunsten der Liebe zu Jesus aufgeben, wurde aber von seinem geistlichen Lehrer Paul Troussard SJ ermahnt, beide Bereiche zu entfalten und einer Einheit entgegenzuführen. Dies wurde seine Lebensaufgabe.
Weltliebe und Gottesliebe
Eine erste Vermittlung von Welt und Gott gelang ihm während der ersten Ausbildungszeit als Jesuit 1902-1908. Seine Liebe zur Erde wurde durch etwas Absolutes geweckt, das ihn durch alle Dinge hindurch anzog. Seine Frömmigkeit zu Gott ließ ihn in Jesus eine Energie und ein Feuer entdecken, das alles Irdische zu durchdringen und zu verwandeln vermochte. So vermutete er, das erahnte Absolute in den Dingen der Erde könnte eine Auswirkung dieser von Jesus ausgehenden Strahlung sein.
Eine weitere Entwicklung erfuhr dieses Bemühen während seines Theologiestudiums 1908-1912. Die Lektüre von Bergsons Schrift „Evolution Créatrice“ weckte in ihm „das Bewusstsein einer tiefen, ontologischen, totalen Drift des Universums um ihn herum“. Die Welt wurde für ihn evolutiv ausgerichtet: das Leben entwickelt sich aus der Vergangenheit über verschiedene Stufen bis hin zum Menschen. Die von Jesus ausgehende Energie und Strahlung konnte er nun als schöpferische Kraft verstehen, die in allen Dingen die Evolutionsbewegung ermöglicht. „Für Augenblicke schien es, wie wenn eine Art universales Wesen vor meinen Augen in der Natur Gestalt annahm“. Gott ließ sich für Teilhard als lenkende und in verschiedenen Gestalten sich meldende Allgegenwart finden und lieben.
Christus als Zentrum
In diesem Stadium auf der Suche nach Einheit von Gott und Welt blieben noch die Fragen offen, wie denn Gott durch Christus in allen Dingen wirke, und ob die Evolution beim Individuum Mensch ende.
Um diese beiden Probleme zu lösen, mussten zunächst die näheren Bedingungen der Evolution ausgemacht werden. Ab 1912 studierte Teilhard bei Marcellin Boule am Musée d’Histoire Naturelle in Paris. Nach kriegsbedingter Unterbrechung schloss er 1921 das Studium der Paläontologie mit dem Doktorat ab. Die Frage nach der Art und Weise des göttlichen Schaffens in der Evolution beantwortete er in diesen Jahren: „Gott macht – durch seine Einstrahlung –, dass die Dinge sich selber evolutiv machen können“.
Dass die Evolution über den Menschen als Individuum hinausgeht, entdeckte Teilhard erst während der langen Jahre des Kriegsdienstes. Als Sanitäter in einem Eliteregiment, das von 1914-1918 in allen Schlachten eingesetzt wurde, erwachte in ihm das Gespür für die Gegenwart der „Million Menschen“, die an der Westfront gegeneinander kämpften. Seine evolutive Weltsicht ließ ihn in dieser Auseinandersetzung das Ringen auf etwas Neues, Zukünftiges hin erkennen. Auf Grund der Glaubenslehre vom mystischen Leib Christi, wonach Christus die Menschen auf sich hin und untereinander eint, schloss er, dass dieses Neue eine Etappe auf die Einheit der Menschheit in Christus hin ist. Denn er beobachtete, dass viele Soldaten, besonders in den Zeiten vor einer Schlacht, entgegen anderen Erfahrungen, frömmer, sittlich besser und priesterlich ansprechbarer wurden. Christus war offensichtlich tröstend und einend in diesem kosmischen Geschehen am Wirken. Daraus wurde für Teilhard klar, dass die Evolution über den Menschen hinausgeht und erst endet, wenn diese um das Zentrum Christus ihre Einheit „Omega“ gefunden hat.
Auf die Evolution zurückblickend, wurde ihm zudem klar, dass von den Atomen zu den Molekülen, über die Zelle bis hin zum Menschen, immer Vieles zu einer je höheren Einheit zusammengefasst wird. Damit verdeutlicht sich das Wie des Schaffens Gottes in den Dingen: „Gott schafft einend“. „Die schöpferische Einung“ wird für Teilhard das Erklärungsprinzip der Evolution von Alpha bis Omega. Und der einende Schöpfer ist Christus, „durch den und auf den hin alles geschaffen ist“ und „in dem Gott alles im Himmel und auf Erden einen will“ (Kol 1,16 und Eph 1,9-10).
Teilhard sagt in seinem Hauptwerk „Der Mensch im Kosmos“, diese Weltsicht vom Vielen zum Einen beschreibe nicht die Art und Weise, wie die Welt historisch sich gebildet habe, sondern wie wir, auf Grund der gegenwärtigen Kenntnisse, uns diesen Prozess vorstellen müssen. Man darf also in der Weltsicht Teilhards eine Lebenstheorie sehen. So hat sie viele Wissenschaftler verschiedenster Fakultäten ermuntert weiterzufor- schen und ähnliche Weltanschauungen zu entwerfen, neuerdings auch im Zusammenhang mit der Quantentheorie. Und indem sie das aktuelle Geschehen als Einungsprozess der Menschheit auf Christus hin beschreibt, kann sie uns eine Hilfe sein, unsere Situation kritisch-positiv zu deuten und nach der Devise Teilhards zu leben: „Am Werden mitwirken“.
P. Richard Brüchsel SJ